Auf zu neuen Ufern

VERBAUTE MÖGLICHKEITEN
Im Jahr 2006 führte die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) eine Uferbewertung durch.
Das Ergebnis: Nur 40 % des Bodenseeufers befi nden sich in einem natürlichen oder naturnahen Zustand.
Das ist zu wenig. Denn in verbauten Ufer- und Flachwasserzonen gibt es kaum Lebensraum für Pfl anzen und Tiere, können
Jungfi sche nicht heranwachsen, sind Landschaftsbild, Strömungsdynamik und damit auch die Selbstreinigungskräfte des Sees gestört.
WOHIN DIE WELLEN TRAGEN

Schiffsverkehr und Wind verursachen das Spiel der Wellen am Bodensee. Nicht immer laufen sie freundlich am Ufer aus. Bei einem Föhnsturm zum Beispiel geht es im Wasser hoch her. Wellen brechen sich, wirbeln durch Flachwasserzonen und reißen Sedimente mit sich. Im aufgewühlten See kommt es zur Erosion.Wohin und wie schnell die Wellen Sedimente oder auch Schadstoffe tragen? Allein über Messungen lässt sich das nicht bestimmen. Sie erlauben nur einen punktuellen Ein-blick. Ein paar Meter weiter, einen Tag später sieht das Strömungsverhalten ganz anders aus. Um das komplexe Wellen- und Strömungssystem im See begreifen und vorhersagen zu können, wird am ISF am computergestützten Modell gearbeitet.
SEHEN, WAS MAN UNTER WASSER ZU HÖREN BEKOMMT.

Wissenschaftler gehen den Dingen gerne auf den Grund. Im Bodensee helfen dabei Sonar-Messtechniken wie Fächerecholot und Sidescan-Sonar. Mit diesen akustischen Me-thoden werden einzelne Uferabschnitte und der tiefere Seeboden vermessen. Aufgespürte Objekte wie Schiffswracks, archäologische Überreste oder natürliche Strukturen erzählen die Geschichte(n) unserer Vorfahren und des Bodensees.Die Sonartechnik nutzt die Ausbreitung des Schalls im Wasser. Die akustischen Signale werden in optische Bilder übersetzt. Warum nicht einfach eine Unterwasserkamera nehmen? Die Sicht-weite unter Wasser ist stark eingeschränkt. Mit Sonargeräten kann in kürzerer Zeit eine deutlich größere Fläche erfasst werden.
KEIN STILLES WASSER. DIE HYDRODYNAMIK DES BODENSEES.

PROZESSE VERSTEHEN
Auch wenn der Bodensee als ein stehendes Gewässer gilt, ein stilles Wasser ist er nicht. Wind und Wetter wie auch die Zufl üsse bringen Bewegung in das Wasser, beeinfl ussen die hydrodynamischen Vorgänge im See.Wohin und wie schnell trägt die Strömung Sedimente oder Verunreinigungen? Wie breiten sich die Flusswasserfahnen im See aus. Wie wirken sich Klimaveränderungen auf die Tempe-raturen und Transportvorgänge im See aus? Simulationsrech-nungen sollen helfen diese Fragen zu beantworten.Die Rechnungen mit hydrodynamischen Modellen geben uns Auskunft über Temperaturentwicklungen, Strömungs-, Trans-port- und Durchmischungsvorgänge im See. Sie ermöglichen uns, Szenarien zu betrachten und damit Auswirkungen mögli-cher Veränderungen abzuschätzen.
WIE WETTERFÜHLIG IST DER SEE?

DAS KLIMA AM UND IM BODENSEE
Die Entwicklung des Klimas ist für die Menschen ein wichtiges Thema geworden. Für den Bodensee war es dies schon immer. Bereits dessen Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte während und nach der letzten Eiszeit war von der Klimaentwicklung geprägt. Tiere und Pfl anzen im See reagieren auf meteorologische Veränderungen, ebenso wie chemische und physikalische Abläufe.Eine wichtige Frage ist daher, zu welchen Veränderungen im Bodensee die Erwärmung von Luft und See in den vergange-nen fünf Jahrzehnten geführt hat.
Auf und Ab. Der Wasserstand des Bodensees.

Übliche und unübliche Pegelschwankungen
Die Wasserstände des Bodensees werden seit 1817 kontinuierlich aufgezeichnet. Der mittlere Verlauf zeigt, im Winter liegt der Pegelstand durchschnittlich 1,5 Meter niedriger als im Sommer. Ein Grund hierfür liegt in der Schneespeicherung, die im Winter eine erhebliche Wassermenge im Einzugsgebiet des Bodensees zurückhält.In jüngster Zeit führte der See jedoch im Sommer weniger, im Winter mehr Wasser als üblich. Mögliche Ursachen sind einerseits veränderte Niederschlags- und Verdunstungs mengen. Ande-rerseits waren die Winter wärmer, so dass weniger Schnee in den Bergen gespeichert wurde.
Es liegt was in der Luft. Die Schwermetallbelastung im Bodensee.

Der See vergisst nicht
Industrieabgase, die Katastrophe von Tschernobyl – sie verschmutzten die Luft und diese Verun-reinigungen gelangten mit dem Regen und über Zuüsse auch in den Bodensee. Die Schadstoffe heften sich an die im Wasser schwebenden Teilchen an und sinken zum Seegrund ab, es bildet sich ein Bodensatz: das Sediment. Es wächst über die Jahre Schicht um Schicht, vergleichbar den Jahresringen eines Baumes.
Alles im Fluss. Das Bodenseeeinzugsgebiet.

Wie kommt das Wasser in den See?
Auf der einen Seite fließt es zu, auf der anderen fließt es ab – das Wasser im Bodensee wird ständig ausgetauscht. Die komplette Wasseraustauschzeit dauert rechnerisch vier bis fünf Jahre. Das Einzugsgebiet des Bodensees, einschließlich Seefläche, umfasst rund 11.500 km2. Etwa 62 % des Wassers, das mit den Zuüssen in den See gelangt liefert der Alpenrhein. Mit dem Wasser bringen die Zuüsse Stoffeinträge. Je nach Besiedlungsdichte und Nutzung ihres Einzugsgebietes sind sie mehr oder weniger belastet. Ihre Wasserqualität wird daher von den Anrainerländern und Kantonen laufend geprüft. Das ISF beprobt die Mündungen der baden-württembergi-schen Zuüsse und führt flussbezogene Detailstudien z.B. an der Schussen durch.
Fragwürdige Neuankömmlinge. Neozoen.

Vom Menschen eingeschleppt
Neozoen ist das griechische Wort für „neue Tiere“. Das sind laut Definition Tierarten, die nach dem Jahr 1492 durch Mitverantwortung des Menschen in neue Gebiete eingewandert sind und diese – durch eigenständigen Populationsaufbau über mindestens drei Generationen hinweg – erobert haben. Warum 1492? Mit der Entdeckung Amerikas begann die Vernetzung zwischen den Ländern und Kontinenten der Welt. Reisende Menschen hatten und haben bewusst oder unbewusst Pflanzen und Tiere im Gepäck. Wo liegt das Problem? Manche der Neuankömmlinge gliedern sich problemlos in ihren neuen Lebensraum ein. Andere bedrohen – als Räuber oder Krankheitsüberträger – heimische Pflanzen- und Tierarten. Sie belasten das Ökosystem.
Weniger Phosphor = weniger Fische im See?

Felchen – der Bodenseefisch
Fast jeder wird auf die Frage nach Leben im See zuerst an Fische denken, ist doch die Befischung die älteste Nutzung von Seen. So sind auch Bodensee und Felchen fast ein zusammengehöriges Begriffspaar im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Deshalb findet die Entwicklung der Fischbestände – zum Beispiel im Zusammenhang mit sich ändernden Umweltbedingungen – nicht nur bei den Fischern hohes Interesse. Zu den geänderten Umweltbedingungen der jüngeren Zeit gehört vor allem die Nährstoffversorgung. Der einst eutrophierte See ist heute dank erfolgreicher Reinhaltemaßnahmen aller Anrainerländer wieder phosphorarm geworden. Solche Änderungen wirken sich potenziell auf die Fangerträge aber auch auf die Gesamtbestände aus. Informationen zu den Fangerträgen erhält man aus der amtlichen Fangstatistik. Für die Erfassung der Bestände und ihrer Größenzusammensetzung werden u.a. hydroakustische Verfahren eingesetzt.
Das Datengedächtnis des Sees.

Vernetztes Wissen
Der Bodensee ist ein von vielen Faktoren abhängiges, empfindliches System. Nur wenn wir das in unterschiedlichsten Disziplinen gesammelte Wissen vernetzen und laufend aktualisieren, können wir seine Komplexität verstehen und wenn nötig pflegend oder schützend eingreifen. Die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) hat daher das Bodensee-Wasserinformationssystem (BOWIS) eingerichtet. Eine zentrale Datenbank, in der länderübergreifend alle bodenseerelevanten Informationen eingespeist, verknüpft und bereitgestellt werden.
Von der Reinheit des Wassers und seinen Verunreinigungen.

Wasserqualität auf dem Prüfstand
Sauberes Wasser in Trinkqualität – ein Synonym für den Bodensee. Mit speziellen Untersuchungsmethoden können heute aber auch Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, Arzneimitteln, Industriechemikalien und vielem mehr im Mikrogramm- und sogar im Nanogrammbereich nachgewiesen werden. Diese Mikroverunreinigungen sind vom Menschen synthetisch generiert und gehören natürlicherweise nicht in das Wasser. Es ist an jedem Einzelnen, sich die Tatsache bewusst zu machen und weniger Schadstoffe ins Abwasser und damit in den Bodensee einzuleiten.
Arzneimittel und ihre ungeklärten Nebenwirkungen

Was macht das Antibiotikum im Wasser?
Die Kopfschmerztablette, das Antirheumatikum, das Antibiotikum, das Röntgenkonstrastmittel: Ob in der Humanmedizin oder im Veterinärbereich, der Arzneimittelkonsum steigt. Es gibt ein Problem: Medikamentenrückstände im Abwasser werden in den Kläranlagen nur unvollständig entfernt. Im Bodensee bewegt sich die Konzentration der Wirkstoffe noch auf niedrigem Niveau. Für den Menschen ist sie problemlos. Doch welche Nebenwirkungen einfließende Arzneimittelreste oder deren Abbauprodukte langfristig auf die Lebensgemeinschaft im Wasser haben, ist noch nicht völlig geklärt. Die Forschung arbeitet mit Hochdruck. Bis genaue Erkenntnisse vorliegen, haben wir zumindest einen Wunsch: Nicht mehr benötigte Arzneimittel bitte keinesfalls über die Toilette entsorgen.
Seenland Baden-Württemberg

Unter ständiger Kontrolle
Teiche, Tümpel, Weiher, Seen – in Baden-Württemberg gibt es Tausende von stehenden Gewässern. Eine Auswahl von rund 50 meist größeren Seen wird vom ISF regelmäßig überwacht. Im mehrjährigen Turnus werden diese Gewässer auf physikalische, chemische und biologische Kenngrößen untersucht. Wo es die meisten Seen im Land gibt? Das oberschwäbische Alpenvorland und der Schwarzwald sind reich bestückt. Künstliche Baggerseen findet man vor allem im Oberrheingraben.
Oberschwäbische Seen und Weiher

SOS
Neben den eiszeitlich entstandenen Seen, gibt es in Oberschwaben eine Reihe künstlicher Weiher, die meist im Mittelalter zur klösterlichen Fischwirtschaft angelegt wurden. Beide Seetypen leiden unter Eutrophierung und Verlandung. Der hohe Nährstoffeintrag aus den Einzugsflächen führt zu übermäßigem Wachstum der Algen, oftmals dabei die gesundheitlich bedenklichen Blaualgen. Eine weitere Folge: Auch die mit Sinkstoffen auf den Gewässergrund gelangten Nährstoffen werden nach und nach wieder ins Wasser rückgelöst und beschleunigen die Überdüngung des Sees von innen heraus.
Mit dem Sanierungs-Programm für oberschwäbische Seen (SOS) der Pro Regio GmbH wird erfolgreich versucht, den externen wie internen Nährstoffeintrag zu reduzieren. Hierzu zählen die Extensivierung landwirtschaftlicher Flächen ebenso wie das saisonale Ablassen von Weihern. Für beides gilt: Gewässerschutz braucht einen langen Atem.
Seen im Schwarzwald

Leicht sauer
Die natürlichen Seen im Schwarzwald sind, wie Mummelsee und Feldsee, meist trogförmige „Karseen“ und gehen auf die Eiszeit zurück. Künstlich angelegt wurden vor allem Stauseen – zur Energiegewinnung (z.B. Schluchsee,Schwarzenbachtalsperre), als Trinkwasserreservoir ( z.B. Stausee Kleine Kinzig) oder zum Hochwasserschutz ( Nagold-Stausee). Kennzeichnend für die stehenden Gewässer im Schwarzwald ist die leichte Braunfärbung ihres Wassers. Sie entsteht durch Einträge aus den wald- und moorreichen Einzugsgebieten. Durch die Kalkarmut des Gesteins ist das Wasser zudem relativ weich und weist eine geringe Pufferungskapazitiät auf. Die Folge: Einige Seen – insbesondere im Nordschwarzwald – sind versauerungsgefährdet.
Schweben und Schwimmen. Das Leben im Freiwasser

Der Stoffkreislauf unter Wasser
Mitten im See herrscht lebendiges Treiben. Plankton – kleine pflanzliche oder tierische Organismen sowie Mikroorganismen – schweben passiv im durchlichteten Freiwasser. Das Nekton kommt dagegen aktiv schwimmend voran. Das bekannteste Beispiel ist der Fisch. Plankton und Nekton sind die Akteure im ständigen Stoffkreislauf des Sees und bilden die Lebensgemeinschaft des Freiwassers. Zahl und Menge der in ihr vertretenen Arten werden laufend vom Institut für Seenforschung überprüft. Sie sind wichtiger Zeiger für den Zustand eines Gewässers.
Auskunftsfreudige Unterwassergesellschaft. Das Leben am Seeboden

Gute und weniger gute „Lebensgründe“
Das Leben in Bodennähe kann wie in den lichtdurchfluteten Flachwasserzonen die helle Freude sein. Das Nährstoffangebot stimmt und bei Sonne erwärmt sich das Wasser schnell. Ganz anders in den tieferen Gefilden. Wer hier am Gewässerboden lebt, muss in Dunkelheit, mit niedrigen Temperaturen und zur Not auch mal mit wenig Sauerstoff zurechtkommen. Die Lebensgemeinschaft am Seeboden gibt in ihrer Artenzusammensetzung Auskunft über den Zustand sowohl des Gewässers als auch des Sediments. Ihre Untersuchung ist daher ein wichtiger Teil der Seenüberwachung.